Ich sehe was, was du nicht siehst | Text der Initiative zur Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert-Wollheim-Platz

Die Initiative zur Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert-Wollheim-Platz hat im Semesterguide der Antifa Kritik und Klassenkampf und in der Asta-Zeitung folgenden, interessanten Text veröffentlicht:

ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST
IG Farben Campus, Norbert-Wollheim-Platz und die unsichtbaren Spuren

Am 27. März 2004 forderten Überlebende des KZs Auschwitz III Monowitz die Goethe-Universität und Oberbürgermeisterin Petra Roth auf, den vor dem IG-Farben Haus auf dem IG Farben Campus im Westend befindlichen Grüneburgplatz in Norbert-Wollheim-Platz umzubenennen. Auf den Tag genau zehn Jahre danach, geschichtsvergessen wie eh und je, veröffentlichte das Präsidium der Goethe-Uni eine Pressemitteilung, die auf den jüngsten Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Umbenennung zu reagieren versuchte. Norbert Wollheims Name, Mittelpunkt der Auseinandersetzung, wurde ohne den Zusatz „Platz“ nicht einmal genannt. Stattdessen versuchten sie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, die nicht zuletzt auch die nationalsozialistische Universität ins Exil trieb, für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Es bedurfte weiterer Briefe von Überlebenden, einiger hundert Unterschriften und dem Engagement Studierender in und außerhalb des Senats der Goethe-Universität bis die Uni schließlich im September 2014 einlenkte und der Umbenennung zustimmte, um sie dann als ihren Vorschlag medial zu vermarkten. Geschickt band sie die Umbenennung in das Jubiläumsjahr ein und verkündete ein „Gesamtpaket“ im Rahmen dessen bestimmte Orte und Straßen auf dem IG Farben Campus umbenannt werden sollen; hier bruchlos eingereiht findet sich dann auch der Norbert-Wollheim-Platz.
Zehn Jahre zu spät, wie wir finden. 2004 forderten die Überlebenden in ihrer Resolution die Universität und die Stadt auf „schnellstmöglich alle nötigen Schritte einzuleiten, um die Umbenennung umzusetzen, damit dieses Zeichen der Erinnerung auch für die Generation der Überlebenden noch sichtbar wird“. Das hat man nicht getan. Die Mühlen der Bürokratie mögen langsam mahlen, im Frankfurter Beispiel sollte man aber von bewusster Sabotage sprechen; nur das jüngste Beispiel dieses Umgangs mit der Aufarbeitung der Vergangenheit.
Auf dem IG Farben Campus finden sich heute einige Spuren, die gegen die Universität durchgesetzt werden mussten: zwei Gedenkplatten vorm IG Farben Haus, eine Dauerausstellung und das Norbert-Wollheim-Memorial. An allen diesen Gegenständen könnte man zeigen wie die Uni versucht das Gedenken zu konterkarieren. Hier aber nur ein Beispiel: Während das Memorial sich ganz explizit auf dem gesamten Bereich vor dem IG Farben Haus erstreckt und dieser damit Gedenkort ist, identifiziert die Uni das Memorial nur im von ihr großzügiger Weise zur Verfügung gestellten Pförtnerhäuschen, liebevoll Pavillon genannt. Aktiv unterstreicht sie das immer wieder, indem sie diesen ausgewiesenen Gedenkort zuknallt mit Kunst aller Art, und dem Memorial damit noch die letzte Aufmerksamkeit raubt.
Die Nutzung von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno sowohl im Rahmen der GU100 Feierlichkeiten, als auch in der Umbenennungsdebatte zeigt die Widerwärtigkeit der ganzen Diskussion auf. Das weder Adorno noch Horkheimer sich über eine Vermarktung ihrer als Aushängeschilder (auf Linienbussen) für die Universität freuen würden – geschenkt. Es geht jedoch bei der Vermarktung insbesondere im Rahmen des von Präsident Werner Müller Esterl vorgeschlagenen Gesamtpaket zur Umbenennung um mehr. Gegen den Shoah-Überlebenden Norbert Wollheim, der die IG-Farben verklagte, werden die beiden (jüdischen) Remigranten in einer vollkommenen Verdrehung ihrer eigenen Positionen in Stellung gebracht. Als Alibi-Juden dienen sie der Selbstinszenierung der Universität als eine Institution, die sich nicht nur erfolgreich ihrer eigenen Geschichte stellt, sondern durch die Remigration eben jener und anderer geflohener Wissenschaftler_innen Absolution erfahren hat.
Nichts bleibt übrig von den Umständen unter denen die Mitarbeiter des IfS fliehen mussten, dem Tode Walter Benjamins, der permanenten kritischen Auseinandersetzung mit der post-nazistischen deutschen Gesellschaft, oder den Umständen der Rückkehr an die Universität Frankfurt – die erst durch Eigeninitiative zustande kam. Die NS-Geschichte der Universität, erwähnt sei exemplarisch das „Universitätsinstitut für Erbbiologie und Rassenhygiene“, aber auch die Geschichte des neuen Standortes, dem IG-Farben Haus, verschwindet oder endet als Randnotiz.
Der Bruch in der apologetischen Darstellung der (Erfolgs-)Geschichte der Universität, der durch die Erinnerung an Norbert-Wollheim und somit der Opfer der Shoah erreicht wäre, musste unmittelbar überdeckt werden. Es ist offensichtlich, dass weder das Gedenken an die Ermordeten noch die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes, den die Universität nun einnimmt, erwünscht ist. Wird der Versuch unternommen beides nicht mehr nur am Rande, sondern offen und öffentlich zu thematisieren setzt ein Reflex ein, der es den beteiligten Entscheidungsträger_innen ermöglicht noch die absurdesten Argumente vorzubringen und unglaubliche Zeit und Energie in die Sabotage eben dieses Anliegens zu stecken. Es sei nur darauf hingewiesen, dass der „großartige“ Vorschlag zu einem Gesamtpaket für die Umbenennungen bereits eine Woche nach dem ursprünglichen Entschluss des Ortsbeirates zur Umbenennung vorlag.
Wir sollten uns trotzdem freuen, dass die Umbenennung kommen wird. Das ist eine politische Errungenschaft Sieg, die durch das Engagement von Studierenden und Überlebenden und Studierenden erreicht wurde. Zu einem Zeitpunkt als die Umbenennung vom Tisch zu sein schien.
Aber es ist noch lange nicht alles gut. Der Ort IG Farben Campus stellt uns weiterhin vor Probleme. Auf dem Rest des Campus gibt es nichts, was die Geschichte dieses Ortes thematisiert, von der Geschichte der Universität im Nationalsozialismus gar nicht erst zu sprechen. Und nach wie vor fehlt eine Auseinandersetzung damit, was es heißen kann nach Auschwitz zu studieren; an diesem Ort im Besonderen, und im Allgemeinen.
Die Universität braucht kann sich also nicht auf der Umbenennung ausruhen. Die Auseinandersetzung um die Aufarbeitung der Vergangenheit ist noch lange nicht vorbei: nicht am IG Farben Campus und nicht in Deutschland.

Initiative zur Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert-Wollheim-Platz

Weitere Informationen zu den Hintergründen der erinnerungspolitischen Kämpfe um Aufarbeitung liefert die Diskus-Ausgabe „Studieren nach Auschwitz“, die die Zeitschrift in Kooperation mit der „Initiative Studierender am IG Farben Campus“ 2014 veröffentlichte. Die Initiative hat einen umfangreichen Blog, über den sie über aktuelle Veranstaltungen und Ereignisse berichtet: https://initiativestudierenderamigfarbencampus.wordpress.com
facebook.com/wollheimplatz

Radiobeitrag zum 27.01.2015 – 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

Heute von 16-17 Uhr hat Radio X im Magazin für Arbeit-Bildung-Soziales ein Interview zur Namenslesung der Initiative Studierender am IG Farben Campus vom 27.01.15, sowie Ausschnitte aus dem Zeitzeuginnen-Gespräch vom 28.01.15 mit Trude Simonsohn und einen Bericht der Studienfahrt zur offiziellen Gedenkveranstaltung in Auschwitz-Birkenau anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz gesendet.

Die Sendung soll bald auch hier als podcast zu finden sein:

http://absmagazin.de/Members/Steven/zum-70-jahrestag-der-befreiung-von-auschwitz

Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert-Wollheim-Platz

Am Mittwoch, 4. Februar 2015, fand die feierliche Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert-Wollheim-Platz statt. Unter folgendem Link findet sich eine kleine Dokumentation der Feierlichkeiten, die Rede von Trude Simonsohn und die Rede von Alisa Siegrist, die sich für die Initiative zur Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert-Wollheim-Platz eingesetzt haben:

Kein (Zivilisations-)Bruch – nur Höhen und Tiefen. Anmerkungen zu einem erinnerungspolitischen Muster der Frankfurter Goethe-Universität

Am 4. Februar 2015 wird der Grüneburgplatz offiziell in Norbert-Wollheim-Platz umbenannt. Der Umgang der Universität mit den Feierlichkeiten zur Umbenennung spricht (mal wieder) Bände. Seinem „Gesamtpaket“ treu lädt das Präsidium nicht nur zu dieser einen, so wichtigen Umbenennung ein, sondern fertigt in einem Rutsch auch noch Adorno und Horkheimer ab nach denen weitere Orte benannt werden. Der Zivilisationsbruch mit dem der Name Wollheim verknüpft ist wird mal wieder eingeordnet in eine allgemeinere Geschichte, ein bekanntes erinnerungspolitisches Muster der Frankfurter Universität, das in folgendem Artikel analysiert und kritisiert wird. Dieser wurde Ende 2014 geschrieben und wird in der nächsten Asta-Zeitung erscheinen.

Die erinnerungs- und geschichtspolitischen Auseinandersetzungen mit der und um die Goethe-Universität seit des Bezugs des IG Farben Campus haben immer wieder eine Geschichtsvergessenheit seitens des Universitätspräsidiums und der Institution Universität als Ganzer an den Tag gelegt. Doch selbst wenn die Goethe Universität sinnvolle Forderungen umsetzt, bleibt die Form, in der sie dies tut, zu kritisieren. Ihr Umgang mit der eigenen Geschichte im Nationalsozialismus im Allgemeinen und mit der Geschichte des IG Farben Campus im Besonderen folgt einem paradigmatischen Muster: der Einordnung des Zivilisationsbruchs Auschwitz in eine allgemeinere Geschichte. Dieses Muster soll im Folgenden an drei Gegenständen analysiert und kritisiert werden.

Der Umzug auf den IG Farben Campus war bekanntermaßen von Anfang an von erinnerungs- und geschichtspolitischen Auseinandersetzungen begleitet. Ein angemessener Umgang mit dem neuen Campus wurde vehement eingefordert, denn an diesem Ort befand sich die Hauptzentrale der IG Farben AG, eines gigantischen Chemiekonzerns, der in mehrfacher Hinsicht am Zweiten Weltkrieg und der Shoah beteiligt war: nicht nur durch die aktive Unterstützung des Nationalsozialismus im Hinblick auf Rohstoffe, Technik und Material, sondern auch durch das Vorantreiben medizinischer Experimente an KZ-Häftlingen, der Beteiligung an der DeGeSch, dem Unternehmen, das Zyklon B herstellte und an die SS lieferte, und schließlich durch die Einrichtung und Finanzierung des Konzentrationslagers Auschwitz III – Monowitz, durch welches bis zu 30.000 Menschen ermordet wurden. Eine Universität, so wurde argumentiert, die einen solchen Ort bezieht, muss sich mit der Geschichte dieses Ortes auseinandersetzen.
Diese lange und zähe Auseinandersetzung hat schließlich einige Erfolge erzielt, wie viele wissen: es gibt Gedenkplatten, das Norbert-Wollheim-Memorial und eine Dauerausstellung im IG Farben Haus. Nun, 2014, wurde der Forderung den Grüneburgplatz in Norbert-Wollheim-Platz umzubenennen, nachgegeben. Den Ort IG Farben Campus, wie wir ihn entgegen der offiziellen Sprachregelung „Campus Westend“ nennen, hat das verändert. Teile seiner Geschichte sind zugänglich gemacht worden. Doch der Umgang mit dieser Geschichte folgt allzu oft dem genannten erinnerungspolitischen Muster.
GU 100_Werbeplakat_Artikel kein Bruch.
Erstens.
In der Dauerausstellung des IG Farben Hauses zeigt sich dieses paradigmatische Muster Frankfurter Universitätskultur. [1] Bereits der Titel der Ausstellung lässt es erahnen: Von der Grüneburg zum Campus Westend. Und so beginnt die Darstellung der Geschichte dieses Ortes mit den Obstbäumen von Goethes Onkel, die vom Eigentümer der Grünen Burg gekauft wurden, schreitet fort zum sogenannten „Irrenschloss“ des Heinrich Hoffmann, in welchem Alois Alzheimer, die nach ihm benannte Krankheit entdeckte und erforschte, springt zur Erbauung des IG Farben Hauses, den IG Farben selbst und ihrer Verstrickung in den Nationalsozialismus hin zur Nutzung des Geländes durch die amerikanischen Streitkräfte, um vorerst mit dem sogenannten Campus Westend zu enden. Der „Palast des Geldes“, wie Theodor Heuss einst das IG Farben Haus nannte, wird in dieser Geschichtsschreibung zum „Ort des Geistes“, um es mit den Worten des Architekten Ferdinand Heide zu sagen, der für den Ausbau des Campus zuständig war. Alles Geschehene scheint gleich bedeutend zu sein, eine Geschichte voll Höhen und Tiefen eben. Das zeigt sich auch in dem Duktus in welchem die Frankfurter Universität über ihre eigenen Geschichte redet:
„Was hat diese Universität in ihren vergleichsweisen kurzen 100 Jahren Geschichte nicht alles erlebt und überlebt. […] Die Entwicklung der Goethe-Universität ähnelt einer Fieberkurve mit heftigen Ausschlägen nach oben und unten. Nur eines verlässt sie nicht: eine offenbar unzerstörbare Lebensenergie.“[2]
Der Zivilisationsbruch Auschwitz wird bruchlos eingereiht und in seiner Besonderheit übergangen.

Zweitens.
Dass die Universitätsleitung nichts gelernt hat, zeigen neue Auswüchse dieses erinnerungspolitischen Musters. Im Rahmen des Jubiläumsjahres der Goethe-Universität, die 2014 einhundertjähriges Bestehen feiert, macht die Universität mit Plakaten in der Stadt auf sich aufmerksam. Darauf ist neben dem sogenannten Body of Knowledge in großen Lettern zu lesen: Visionäre. Pioniere. Wegbereiter. Darum stehen, arrangiert wie das Ergebnis eines Brainstormings, scheinbar unzusammenhängende Begriffe. Wie genau dieses Brainstorming stattfand, also wer wann welchen Einfall hatte, ist bislang ungeklärt. Jedenfalls finden sich auf dem Plakat unter anderem Worte wie Unter den Talaren, Starke Frauen, Riedberg, Sturm und Drang, Jüdische Stifter, Musentempel, Verlorene Denker, Westend und einige mehr; und dann, das Wort: Holocaust. Dieses Wort steht da, unter den Obertiteln: Visionäre. Pioniere. Wegbereiter. Man fragt sich, ob sich dieses Plakat vor Drucklegung noch mal jemand durchgelesen hat. Auch hier gilt, was über eine andere diskursive Untat an dieser Universität geschrieben wurde, dass das kaum als schlechtes Wortspiel gelesen werden kann, sondern als „bemerkenswerte Fehlleistung und unerträglichen Hohn auf die Opfer“ verstanden werden muss.[3] In dieser inhaltsleeren Allgemeinheit gehalten stört sich auch an der Aufführung des Ereignis Holocaust niemand. Dass Joseph Mengele in Frankfurt promovierte, darüber besser kein Wort, und dass Frankfurt Studierende ausgezeichnetes Engagement an den Tag legten als es 1933 darum ging sogenannte „entartete Bücher“ auf dem Römerberg zu verbrennen, verschweigen wir es lieber. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte folgt Lippenbekenntnissen – und da ist es auch mal notwendig Holocaust irgendwo unzusammenhängend mit dazuzuschreiben. Sie ist aber kein tatsächlicher Versuch die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten.

Drittens.
Eine Kernforderung der Auseinandersetzungen um den IG Farben Campus war die von Überlebenden des KZ Monowitz 2004 vorgetragene den Grüneburgplatz in Norbert-Wollheim-Platz umzubenennen. Norbert Wollheim, selbst Überlebender des KZ Monowitz, verklagte erfolgreich die IG Farben AG in den 50er Jahren in einem Musterprozess. Zehn Jahre lang hat die Universitätsleitung diese Forderung abgelehnt und alles getan, dass es nicht so weit kommen konnte. Gnädiges Zugeständnis war eine Kommission, die das Norbert-Wollheim-Memorial auf dem Campus einrichten durfte. Doch immer wieder wurde die Forderung nach der Umbenennung von Studierenden, Überlebenden und dem Fritz-Bauer-Institut vorgebracht. Der letzte Höhepunkt dieser Auseinandersetzung fand 2014 statt. Fast eintausend von der Initiative zur Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert-Wollheim-Platz gesammelte Unterschriften, darunter von namhaften Professor_innen, Briefe aus der jüdischen Gemeinde und von Überlebenden, Resolutionen vom Studienkreis deutscher Widerstand und eine neu entflammte Debatte darüber in Ortsbeirat und Senat zwangen das Präsidium schließlich zum Einlenken. Im Juli beschloss der Senat der Goethe Universität, den Ortsbeirat aufzufordern, den Grüneburgplatz umzubenennen. Den Beschluss dazu fasste letzter im September dieses Jahres. Sicherlich ein Erfolg; an den wohl auch kaum noch wer glaubte. Leider „zehn Jahre zu spät“, wie die Jungle World treffend titelte. [4] Besonders perfide ist, dass die Universitätsleitung ankündigte, die Adresse der Universität mittelfristig zu verlegen, sodass nicht – wie gefordert – der Norbert-Wollheim-Platz adressgebend und damit alltäglich vor Augen geführt werden wird. Außerdem konnte man sich auch in diesem Fall nicht dazu durchringen, dieser einen Umbenennung, die ihr nötige Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen. Vorgeschlagen wurde ein „Gesamtpaket“ – das alte erinnerungspolitische Muster. Umbenannt werden im selben Atemzug andere Plätze und Straßen auf dem neuen Campus nach namhaften Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Phasen der Geschichte der Goethe-Universität. Dass Wollheim dagegen mit dieser Geschichte nichts zu tun hat, stellte selbst das Präsidium einst als Gegenargument fest. Doch, dass Wollheim gerade deswegen, nämlich allein durch sein Verhältnis zu diesem Ort und der Geschichte der IG Farben AG, einen besonderen Umgang verdiene, darauf kamen sie nicht. Erneut wurde die spezifische Geschichte dieses Orts eingereiht in eine Gesamtgeschichte und damit nicht in ihrer Tragweite berücksichtigt.

Die drei Fälle stellen Beispiele dar anhand derer gezeigt werden kann, was an der Frankfurter Universität mit Aufarbeitung der Vergangenheit gemeint ist.
Zu betonen ist hingegen die Singularität des Zivilisationsbruchs Auschwitz, die eben als Bruch nicht einfach so auf eine Kette von Ereignissen aufgereiht werden kann, sondern einen eigenständigen Umgang verlangt. Das ist sicherlich keine neue Bemerkung, sondern die fast schon alte Leier, die ungehört verhallt. Dennoch, die Erfolge der letzten Dekade, von unermüdlich kämpfenden (studentischen) Initiativen, Überlebenden und dem Fritz-Bauer-Institut durchgesetzt, haben gezeigt, dass es sich lohnen kann, diese Leier immer wieder anzustimmen.

Weiterführendes:

Diskus-Heft 1, 2013: Studieren nach Auschwitz. Texte aus 15 Jahren Auseinandersetzung um die Goethe-Universität und den IG-Farben-Campus – http://www.copyriot.com/diskus/2013-01/13-01_web.pdf

Texte


http://www.wollheim.wordpress.com

http://www.wollheim-memorial.de

Nikolas Lelle, Initiative Studierender am IG Farben Campus

[1] Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass diese Ausstellung auch dem Präsidium abgetrotzt werden musste und einen Erfolg darstellt; und hiermit allen ans Herz gelegt wird.
[2] Infobroschüre 100 Jahre Goethe-Universität, S.5
[3] Johannes Rhein: Immer wieder das Gleiche. In: Diskus 1/2013: Studieren nach Auschwitz. S. 8
[4] Max Pichl: „Zehn Jahre zu spät“, in: Jungle World Nr. 31, 31. Juli 2014